Schlagwort: Wärmeschutz

Stromverbrauch im Gebäudesektor in den Langfristszenarien T45-Strom und T45-RedEff. (eigene Darstellung auf Basis von Consentec et al. 2022)

Es wurden zwei Szenarien berechnet, die beide einen sehr hohen Anteil von Wärmepumpen vorsehen. Sie unterscheiden sich dadurch, dass einmal ein sehr hoher baulicher Wärmeschutz angenommen wird (T45-Strom) und einmal ein geringerer Wärmeschutz, der allerdings immer noch über dem heutigen Niveau liegt (T45-RedEff). Wie in Kapitel 3.1 beschrieben, wirkt sich die bessere Wärmedämmung in Kombination mit Wärmepumpen doppelt aus: sie senkt den Wärmebedarf und erhöht gleichzeitig die Effizienz der Wärmepumpe. Dieser Effekt kann im Vergleich der beiden Szenarien dargestellt werden, da beide im Jahr 2045 eine ähnliche Anzahl von Wärmepumpen aufweisen (18,3 Mio. in T45-Strom, 18,8 Mio. in T45-RedEff).  Die Abbildung zeigt den Stromverbrauch für Raumwärme, Trinkwassererwärmung, Lüftung und Hilfsenergie für die beiden Szenarien. Er steigt in beiden Szenarien stark an gegenüber dem Ausgangswert in 2020 in Höhe von 45 TWh. In 2045 beträgt er 124 TWh in T45-Strom und 169 TWh in T45-RedEff – also 37% mehr.

Gelegentlich wird argumentiert, dass der Strom im Jahr 2045 ohnehin Erneuerbar sei und daher keine Treibhausgasemissionen von ihm ausgingen. Tatsächlich entsteht durch den hohen Strombedarf – auch in anderen Sektoren – eine andere Knappheit: die Flächen, auf denen die Erneuerbaren Energien produziert werden, müssen bis an die Obergrenze ausgenutzt werden. Die folgenden Abbildungen zeigen die Potenzialausnutzung für Windkraft und Freiflächen-Fotovoltaik im Szenario T45-Strom. Das heißt, es müssen bereits in diesem Szenario nahezu alle geeigneten Flächen maximal genutzt werden, um den benötigten Erneuerbaren Strom zu erzeugen. Ein derart ambitionierter Ausbaupfad ist mit Risiken und Unwägbarkeiten verbunden. Im Sinne einer Absicherung der Zielerreichung sollte Strom weiterhin so effizient wie möglich eingesetzt werden – auch wenn er Erneuerbar ist.

Gewählte Mustergebäude

Dass eine Sanierung durch einen besseren baulichen Wärmeschutz den Heizenergieverbrauch signifikant reduzieren kann, steht außer Frage. Wenig beachtet ist hingegen die damit verbundene Absenkung der notwendigen Heizlast. Vor allem bei Wärmepumpen bestimmt die notwendige Heizlast die aufzuwendenden Investitionskosten. Die Heizlast hat auch einen erheblichen Einfluss auf das Stromnetz. Zu große Spitzenlasten können das lokale Stromnetz überlasten. Niedrige Heizlasten, die aufgrund eines systemdienlichen Wärmeschutzes erreichbar sind, garantieren hingegen eine Netzstabilität.

Zur Untersuchung der Wechselwirkung zwischen Wärmepumpe und notwendiger Heizleistung werden instationäre thermische Berechnungen anhand zweier Typengebäude mit Hilfe der Software WUFI Plus durchgeführt. Dabei handelt es sich um ein freistehendes Einfamilienhaus im mittleren Qualitätssegment mit einer Wohneinheit. Die durchschnittliche Wohnungsgröße beträgt ca. 146 m². Das Mehrfamilienhaus in geschlossener Bebauung verfügt über Balkone. Die 6 Wohneinheiten (Zweispänner) grenzen, klassisch auf der Gebäudeachse liegend angeordnet, an ein beheiztes Treppenhaus an. Im Modell wird von einer beheizten Wohnfläche von ca. 335 m² ausgegangen. Beide Wohngebäude stammen aus den 1980er Jahren und erfüllen somit die damals geltenden Wärmeschutzverordnungen. In diesem Zustand ist die Annahme, dass die damals eingebauten Fenster bisher noch nicht ausgetauscht wurden. Auch alle anderen Außenbauteile sind noch im Originalzustand. Zum direkten Vergleich erfolgt eine systemische Sanierung auf das EH 70 Niveau.

Das politische Ziel, formuliert im Koalitionsvertrag von 2021, wird zu einem deutlich veränderten Stromnetz führen.

Dadurch, dass der Zeitpunkt der höchsten elektrischen Last nicht mehr deckungsgleich mit der höchsten Stromproduktion ist, muss der Ausbau der Infrastruktur vorausschauend und parallel zur Wärmepumpen-Offensive erfolgen. Gebäude mit einem guten Wärmeschutz senken den Strombedarf und die Spitzen im Winter erheblich. Vor allem Gebäude, die heute noch nicht für den Einbau von Wärmepumpen vorbereitet sind, müssen vorausschauend entsprechend energetisch ertüchtigt werden. Wärmepumpen sollten heute vor allem in Gebäuden vorrangig eingebaut werden, die schon über einen guten Wärmeschutz verfügen. Wärmepumpen selbst sollten verpflichtend netzdienlich sein und über Regelalgorithmen verfügen, die einen aus Energiewirtschaftlicher Sicht sinnvollen Betrieb gewährleisten.

Die notwendigen Instrumente der Bundesregierung zum Erreichen des Ziels einer klimaneutralen Gesellschaft im Jahre 2045 sind klar und eindeutig im Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2021 formuliert. Neben der notwendigen Installation von 5 – 6 Millionen Wärmepumpen bis zum Jahr 2030 sollen 15 Millionen vollelektrisierte Personenfahrzeuge sowie 1 Million öffentliche Ladepunkte in diesem Zeitraum hinzukommen. Durch Elektroautos und Elektrifizierung der Gebäude wird der Strombedarf deutlich steigen. Die zunehmende Abhängigkeit von Strom wird neue Anforderungen an das Stromsystem stellen. Viele Verbraucher erzeugen oder speichern außerdem ihren Strom vor Ort, so dass Stromflüsse im Stromnetz immer häufiger in beide Richtungen gehen. Das wird voraussichtlich sehr schnell zu einer bedeutenden, bisher kaum beachteten zusätzlichen elektrischen Lastendiskussion führen.

Elektrische Beheizungssysteme werden die Hauptlast des Strombedarfs in den Winter schieben. Das bedeutet für das Stromnetz nicht nur mehr Windräder und PV-Anlagen, sondern ein völlig anderes System. Die Frage, wann wir den Strom brauchen, und die Wechselwirkung zwischen Netz und Gebäude stehen immer mehr im Vordergrund.

 

Zielkompatible Gebäude setzen ein Zusammenspiel von Stromnetz, effizienter Gebäudehülle und netzdienlichen Wärmepumpen voraus.

Im Jahr 2030 darf der Gebäudesektor nur noch 67 Mio. Tonnen Treibhausgase ausstoßen – 42% weniger als in 2021. Wie ambitioniert die Klimaschutzziele sind, wird bei Szenarioberechnungen klar. Dabei zeigt sich, dass es absehbar nur wenige Alternativen bei der Heizungstechnik geben wird – vor allem Wärmepumpen und Wärmenetze. Allerdings wird auch ein sehr ambitionierter Hochlauf dieser beiden Technologien nicht ausreichen, um die Ziele für den Gebäudesektor zu erreichen. Der Wärmeverbrauch muss ebenfalls deutlich gesenkt werden. Nur so gelingt es, möglichst viele Gebäude, die noch nicht Erneuerbar heizen, mit der noch „erlaubten“ Menge fossiler Energieträger zu versorgen. Je schlechter der Wärmeschutz im Jahr 2030 ist, umso weniger Gebäude können mit dem verbleibenden Erdgas und Heizöl beheizt werden und umso mehr Wärmepumpen müssen installiert werden. Sanierungen müssen möglichst rasch auf das Wärmeschutzniveau der Einzelmaßnahmen der BEG-Förderung oder besser kommen. Dann werden knapp 6 Mio. Wärmepumpen ausreichen, wie in der Wärmepumpen-Offensive vorgesehen. Steigen die Sanierungsanforderungen nur auf das Niveau eines Effizienzhauses-70 – wie im Koalitionsvertrag angekündigt – brauchen wir schon 8 Mio. Wärmepumpen im Jahr 2030. Dazu müsste heute schon jeder neu eingebaute Wärmeerzeuger eine Wärmepumpe sein.